Volksbegehren Artenvielfalt: Bilanz nach einem Jahr
Appell an Landwirte: gemeinsam für eine ökologischere Agrarpolitik
Die Natur- und Umweltschützer betonen besonders die Wichtigkeit der Zusammenarbeit mit den Landwirten nach dem erfolgreichen Volksbegehren: „Die Umsetzung des Volksbegehrens und die notwendigen Veränderungen funktionieren nur zusammen mit den Landwirten. Daher haben wir von Anfang an von einem Volksbegehren zur Rettung von Bienen und Bauern gesprochen, denn die Landwirte müssen von der Roten Liste genauso runter wie Feldlerche und Kiebitz. Daher appellieren wir an die Landwirte, sich gemeinsam mit Umwelt- und Naturschützern für eine ökologischere Agrarpolitik einzusetzen“, so Martin Geilhufe, Landesfachbeauftragter des BUND Naturschutz Bayern.
Positiv bewertet der Trägerkreis die Neuerungen im Vertragsnaturschutzprogramm und beim Personal: „Das Gesetzespaket aus dem Volksbegehren kann nur mit ausreichend finanziellen und personellen Mitteln umgesetzt werden. Die Staatsregierung hat dabei mit der Ankündigung von 100 neuen Stellen und rund 70 Millionen Euro ein positives Zeichen gesetzt. Es gibt Licht und Schatten bei der Umsetzung“, bilanziert Agnes Becker, Beauftragte des Volksbegehrens und stellvertretende ÖDP-Landesvorsitzende.
Ein wichtiger Schritt von vielen wurde beim Waldnaturschutz bereits getan: „Nutzungsfreie Waldschutzgebiete sind nicht nur notwendig, um diesen einzigartigen Lebensraum mit seinen Arten zu erhalten. Hier können wir auch beobachten, wie sich unsere Wälder im Klimawandel verändern. Daher freuen wir uns, dass Ministerpräsident Söder die Unterschutzstellung einer Fläche von 960 Hektar an der Donau bekannt gegeben hat und darüber hinaus insgesamt 2000 Hektar unter Schutz stellen will“, sagt Claus Obermeier, Vorstand der Gregor Louisoder Umweltstiftung.
Regierung muss Wunsch der Bürger achten
Die kürzlich vom Ministerrat beschlossene Streuobst-Verordnung wird vom Trägerkreis kritisiert. „Der zaudernden Söder-Regierung mangelt es im Themendreieck ‚Artenvielfalt – Klima – Umwelt‘ an Willen, Überzeugung und Vollzug. Mit der neuen Streuobst-Verordnung hat die Regierung versucht, die gesetzlichen Verpflichtungen des Volksbegehrens zu verwässern und auszuhöhlen.
Der hundertausendfache Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach mehr bayerischem Natur- und Artenschutz darf nicht missachtet werden, wir brauchen hier endlich wirksame Verbesserungen“, so Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im bayerischen Landtag.
Unmut über die Umsetzung äußert auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft: „Der Staat wird seiner Vorbildfunktion nicht gerecht. Statt in seinen Kantinen konkrete Vorgaben zum Einkauf von mindestens 30 Prozent Lebensmitteln aus biologischer Landwirtschaft zu machen, wird lediglich gefordert, 50 Prozent regional und/oder biologisch einzukaufen. Diese Gleichsetzung von regional und bio bewirkt keine Erhöhung des Bio-Anteils, eher das Gegenteil davon. Genauso kontraproduktiv ist es, in der staatlichen Förderung ausgerechnet Biolandwirte von Programmen für vielfältige Fruchtfolgen mit Blühpflanzen auszuschließen", kritisiert Josef Schmid, Vorsitzender der AbL. Das auch noch unter der Vorgabe, die Fördermöglichkeiten an die Anforderungen des Volksbegehrens anzupassen.
Umsetzung des Volksbegehrens soll jährlich überprüft werden
Damit in Zukunft die Fortschritte bei der Umsetzung der Maßnahmen für mehr Naturschutz in Bayern besser überprüfbar werden, hat der Trägerkreis dafür eine wissenschaftliche Basis ausarbeiten lassen: „Mit unserem erfolgreichen Volksbegehren können wir das Artensterben in Bayern aufhalten und vielleicht sogar rückgängig machen. Ob es die Staatsregierung ernst meint und ob die ergriffenen Maßnahmen erfolgreich sind, werden uns die von Wissenschaftlern der Hochschule Nürtingen entwickelten Indikatoren zeigen. Gemeinsam mit 1,75 Millionen Unterzeichnern des Volksbegehrens werden wir hier ganz genau hinschauen“, klärt Norbert Schäffer, Vorsitzender des LBV.
Das von der Hochschule Nürtingen entwickelte Monitoring-Konzept erläuterte Prof. Dr. Roman Lenz von der Hochschule Nürtingen-Geislingen. Ausgehend von über 80 neu beschlossenen Maßnahmen haben Lenz und sein Team bisher ein Set von 20 Indikatoren herausgearbeitet. Im nächsten Schritt erfolgt die Datenerhebung bis schließlich in der Auswertungsphase der tatsächliche Effekt der Gesetzesnovelle beurteilt werden kann.
„Die Herausforderung für die bayerische Staatsregierung besteht darin, die Maßnahmen des neuen Naturschutz- und Begleitgesetzes auch entsprechend umzusetzen. Mit den entwickelten Indikatoren können wir den tatsächlichen Erfolg dieser Umsetzung langfristig überprüfen und bewerten. Diese wird erstmalig im Juli 2020 erfolgen.“
Wissenschaftliches Monitoring mit 20 Inidkatoren
Bei der Suche nach geeigneten Indikatoren haben die Wissenschaftler der Hochschule verschiedene Aspekte wie die Formulierung im Gesetz, die zu erwartende ökologische Wirkung, die Flächenrelevanz und die Datenlage sowie das gesellschaftliche Interesse berücksichtigt. Dies spiegelt sich auch in der vorgenommenen Priorisierung der Indikatoren von „sehr wichtig“ über „wichtig“ zu „weniger wichtig“ wider.
Dazu wurden bestehende bundesweite Erfassungen als Datengrundlage in Betracht gezogen, wie zum Beispiel „Flächen mit hohem Naturwert“, die zur Kontrolle der Beeinträchtigung von Strukturelementen genutzt werden können. Für Maßnahmen wie die Erhöhung der Naturwaldreservate wird neben der Zielgrößen auch Wert auf die räumliche Verteilung gelegt. Die Erhöhung der Flächenanteile mit ökologischer Landwirtschaft lässt sich gut messen, wobei Acker- und Grünland differenziert werden können. Es hat sich aber auch gezeigt, dass einige wichtige Sachverhalte wie der reduzierte Pestizideinsatz oder Maßnahmen aus dem Bereich Umweltbildung derzeit nur schwer zu messen sind.